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STIRBT DER FLUSS - STIRBT DAS VOLK

In der Zeitschrift solidariedade Nr. 89, März 2014 der Brasilieninitiative Nordestinos fanden wir folgendes interessantes Interview

 

Rio morto – povo morto


Stirbt der Fluss – stirbt das Volk

Interview mit Heinz-Peter Vetten, Koordinator einiger westdeutscher Brasilien-Initiativen, zum 20-jährigen Jubiläum der Pilgerreise zur Rettung des Rio São Francisco.

Das Jubiläumsjahr 1992 war auch in Brasilien für viele Anstoß, um gegen die fortwährende Ausgrenzung von Millionen Menschen und die Zerstörung der Natur zu protestieren. Diese Entwicklung wurde 500 Jahre vorher durch die so genannte Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus eingeleitet und hat bis heute eine ständige Fortsetzung erfahren. Das Jubiläumsjahr nutzten Flussbewohner, um mit einer ungewöhnlichen Aktion gegen die Zerstörung der Natur und die Verletzung von Menschenrechten mobil zu machen.
Am 4.10.2013 jährte sich die Abschlussfeier dieser Aktion zum 20. Mal. Mit einer Jubiläumsveranstaltung gedachte man der damaligen Aktion. Heinz-Peter Vetten war bei dieser Feier dabei und berichtet im nachfolgenden Gespräch über seine Erfahrungen.

solidariedade: Welche konkreten Ziele hatte die Aktion im Jahr 1992, und wie wichtig war sie, dass man ihrer 20 Jahre später noch einmal gedachte?
Heinz-Peter Vetten: Im denkwürdigen Jubiläumsjahr 1992 starteten vier Menschen an der Quelle des Rio São Francisco, im Nationalpark „Serra da Canastra“, im Bundesstaat Minas Gerais, eine Pilgerreise, die 2.700 km am Fluss entlang führte, bis zur Mündung in den Atlantik. Am Fest des hl. Franziskus (4.10.1993) kamen sie dort an. Ein Jahr lang waren die vier Pilger unterwegs und besuchten 97 Munizipien (Landkreise), die an die Ufer des Flusses angrenzen und informierten dort die Bevölkerung über den Ernst der Lage. Sowohl die erheblich zurück gehende Wassermenge als auch die ständig steigende Wasserverschmutzung gaben Anlass zu ernsthafter Sorge.

Die

 Die vier Teilnehmer der Pilgerreise: (v.l.) Schwester Conceição (Lehrerin), Orlando Araujo (Landarbeiter), Luiz Flavio Cappio (Franziskanerpriester) und Adriano Martins (Soziologe).
Es gab noch einen fünften Teilnehmer, eine Franziskusstatue, die die vier Pilger auf dem gesamten Weg aus verständlichem Grund mitführten.


solidariedade: Der Rio São Francisco ist der zweitgrößte Fluss Brasiliens. Kann dieses riesige Fluss-System denn überhaupt in Gefahr geraten?
Heinz-Peter Vetten: Die ersten 600 km, etwa bis zur Landesgrenze von Bahia, durchfließt der Rio São Francisco ein etwa 200 km breites Waldgebiet. Hier haben unzählige Nebenflüsse ihr Quellgebiet, die den Fluss erst zu einem Strom machen. Das Gebiet war ehemals mit dem Primärwald Cerrado bedeckt. Er ist heute einschließlich des Uferwaldes weitestgehend für den ständig steigenden Sojabedarf und die Aufforstung durch wasserhungrigen Eukalyptus für die Holzko

hleproduktion abgeholzt. Das von MAN errichtete Stahlwerk bei Belo Horizonte benötigt täglich 1.300 m³ Holzkohle.

   Zu Hunderten stehen die Meiler nebeneinander

 

Kohlenmeiler

  Im weiteren Verlauf des Flusses reihen sich, praktisch bis zur Mündung in den Atlantik, Betriebe der Agrarindustrie aneinander. Sie alle entnehmen dem Fluss Wasser für die künstliche Bewässerung. Sie leiten es dann auch noch belastet mit Pestizid- und Düngerresten in den Fluss zurück, denn die meisten Plantagen sind drainiert.
Diese Agrarbetriebe, die seit Jahrzehnten wegen des Wassers an die Flussufer drängen, haben tausende Familien in die Existenzlosigkeit vertrieben. Das bedingte seit Jahrzehnten durchschnittlich vier Morde pro Jahr an Menschen, die sich wehrten.
Letztendlich leiten Millionenstädte, tausende Industriebetriebe, das genannte Stahlwerk ihr Abwasser ungeklärt in den Rio São Francisco. In den Dürrejahren 2011-2013 füllten Armeetankwagen dieses belastete Wasser der Landbevölkerung als Trinkwasser in ihre Zisternen.

solidariedade: Die Pilgerreise endete am 4.10.1993 an der Flussmündung in den Atlantik. Adriano Martins, einer der Pilger, gab dem Fluss an seiner Mündung ein paar Tropfen sauberes Wasser zu trinken, das er aus der Quelle über ein Jahr mitgeführt hatte.
Hat dieser symbolische Akt, der zweifellos aufforderte etwas für den Erhalt des sterbenden Flusses zu tun, die Entscheidungsträger des Staates beeinflussen können?
Heinz-Peter Vetten: Nein, bisher nicht. Im Gegenteil. Die Exportförderung, die dem Staat Ansehen in der Welt bringen soll, geht ungebremst weiter, zu Lasten des Flusses und der Menschen.
2005 wurde vom Staat erneut ein Großprojekt gestartet, durch das dem Rio São Francisco Wasser in ungeheurer Menge für die Agrarindustrie und Hüttenwerke an der Nordküste entnommen werden sollte, wieder an der Be-völkerung im trockenen Nordosten vorbei. Das nahm einer der ehemaligen Pilger, Luiz Flavio Cappio, mittlerweile Bischof einer Flussdiözese, am 26.9.2005 zum Anlass in einen Hungerstreik zu treten, bis der Staatspräsident Lula da Silva nach 11 Tagen einen Dialog über die Probleme versprach. Der Präsident hielt sein gegebenes Wort nicht und am 27 November 2007 trat Bischof Dom Luiz wieder in einen Hungerstreik, um den Staatspräsidenten umzustimmen. Vergebens. Nach 27 Tagen brach der Bischof zusammen. Freunde retteten ihn gegen seinen Willen und brachten ihn in ein Krankenhaus.
Während beider Hungerstreiks, die weltweit Beachtung fanden, besuchten tausende Menschen den Bischof und sprachen im Mut zu. Das zeigt auch, wie breit die Sorge um den Fluss heute in der brasilianischen Bevölkerung verankert ist.

solidariedade: Im vergangenen Jahr gab es aus Anlass des 20-jährigen Jubiläums der seinerzeitigen Pilgerreise wieder verschiedene Informationsangebote am Fluss entlang, beginnend mit einer Großveranstaltung in Belo Horizonte und an der Quelle im Frühjahr 2013 (siehe „solidariedade“ Nr. 85). Die Aktionen des Jahres 2013 endeten in einer Abschlussfeier am 4. Oktober an der Mündung. Sie soll beeindruckend gewesen sein.
Heinz Peter Vetten: Die Abschlussfeier begann am Vormittag in Penedo, 40 km vor der Mündung, mit einem Gottesdienst. Der ganze Platz war umsäumt von den Transparenten der Gruppen. Menschen aus dem ganzen Flusstal waren in Bussen angereist. Die „Pilger“ Dom Luiz, Adriano und Orlando (Schwester Conçeiçâo war aus Gesundheitsgründen verhindert) begrüßten mich aufs herzlichste mit einem brasilianischen abraço (Umarmung).
Dom Luiz, das personifizierte Sinnbild des Widerstandes, war der Hauptzelebrant. Es nahmen aber weitere Bischöfe und Priester an der feierlichen Messfeier teil.

 Gottesdienst

 Im Festzelt vor der Hauptkirche in Penedo: Die drei Pilger Bischof Dom Luiz, Orlando Araujo und Adriano Martins

 

Unter den angereisten Gruppen waren Indigene, Fischer, Kleinbauern, Landarbeiter, vom Land Vertriebene und Quilombolas (Nachfahren von Sklaven). Diese Gruppen wurden immer wieder in den Gottesdienst einbezogen, legten Gaben vor den Altar, tanzten, sangen traditionelle Lieder, wir hörten Gedichte von der Schönheit und den Leiden des Flusses, aber auch die Klagen der Menschen wurden vor Gott getragen. In seiner Predigt ging Dom Luiz auf die Leiden des Flusses und der Bewohner des Flusstales ein. Er kniete sich vor uns und bat darum,
alles daranzusetzen, die im Flusstal geplanten Atommei-ler zu erhindern. Ich konnte fühlen, wie das Charisma
von Dom Luiz auf uns alle übersprang.
Nach dem Mittagessen fuhren alle mit den Bussen zur nahen Hafenstadt Piaçabuçu. Von dort ging es mit 11 von den Organisatoren gecharterten Booten zur Fluss-

Schiffe

  Die Boote sammeln sich im Hafen von Piaçabuçu

 

 mündung. Großer Jubel in den Booten brach auf, wenn Dom Luiz die Statue des hl. Franziskus zeigte. In dem Boot, in dem ich mitfuhr, waren auch die Indigenen vom Volk der Pankakaru, die von Rasseln begleitet ihre traditionellen Gesänge vortrugen. Es war eine wunderbare Fahrt: Am Ufer letzte Reste des Küstenwaldes, einsame Fischerhütten - ein Traum! In Sichtweite des Atlantiks fand auf den Dünen der Mündung eine ökumenische Feier der besonderen Art statt. Zuerst sangen und tanzten die indigenen Gruppen, danach trat eine Candomblé-Gruppe (afrikanische Kultur) aus einem Quilombo auf.
Dom Luiz forderte dann die Menschen auf, von ihrem Schicksal zu berichten. Es war erschütternd zu hören, welche Folgen die kapitalistische Entwicklung der letzten Jahrzehnte für die Menschen und für den Fluss hatten. Dann wurde getanzt – auch Dom Luiz tanzte mit.
 


  Auch die Statue des hl. Franziskus war beim Tanz dabei

 

 Nach dem Schlusssegen gaben Kinder dem sterbenden Fluss sauberes Wasser aus der Quelle zu trinken, das Adriano mitgeführt hatte. Alles stürzte zum Strand, um den symbolischen Akt zu sehen. Am hier steil abfallenden Ufer mussten einige ein ungewolltes Vollbad nehmen. Auch die Rückfahrt war wieder etwas Besonderes. Nicht nur, dass wir einen wunderschönen Sonnenuntergang auf dem Fluss erlebten, in den Booten wurde in Hochstimmung gesungen und getanzt.
solidariedade: Was bleibt?
Heinz-Peter Vetten: Ich bin davon überzeugt, dass solche Veranstaltungen die Menschen am Fluss zusammenschweißt und sie stark macht für den Kampf, der nötig ist, den geschundenen Fluss und die Menschen, die von ihm leben, in eine bessere Situation zu bringen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Das sieht Bischof Dom Luiz genau so. Er hat sich für die Solidarität ihm und den Menschen im Flusstal gegenüber, aufs herzlichste bedankt; er weiß, dass wir an seiner Seite stehen und bittet um diese Unterstützung auch weiterhin.
solidariedade: Vielen Dank für das Gespräch.
 

 

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