Die Volantapumpe im Nordosten
Brasiliens
Die Wasserversorgung,
vor allem für die ländliche Bevölkerung
im rund 900.000 km2 brasilianischen semi ariden Gebiet,
ist eines der Hauptprobleme der Region. Wassermangel
provoziert die Abwanderung ganzer Dörfer in die
Elendsviertel der Großstädte, schlechte Wasserqualität
ist die größte Todesursache unter Kindern,
und die für den Lebensunterhalt wichtigen Tierherden
verdursten in Trockenjahren regelrecht.
Als wichtige Wasserquelle wird jetzt immer mehr das
Regenwasser verwendet, so zum Beispiel das Sammeln in
abgeschlossenen Betonzisternen. Die Wasserquelle Regenwasser
hat aber ihre Grenzen, sei es wegen der Schwierigkeit
größere Mengen auf hygienische Weise aufzubewahren
und vor der starken Verdunstung zu schützen (potentiell
bis zu 3.000 mm pro Jahr bei einem mittleren Niederschlag
von 700 mm), oder wegen der oft unvorhersehbaren monatelangen
Trockenperioden, in denen die Regenwasserbehälter
leer werden. Ein Brunnen ist dann die sichere Wasserversorgung
und liefert auch das in weitaus größeren
Mengen für die Tierherden notwendige Wasser.
Bei der Planung der Wasserversorgung
soll aber keineswegs einseitig gedacht werden: Alles
auf Brunnen oder alles auf Zisternen setzten. Um ausgeglichen
zu sein, müssen sowohl Zisternen fürs Regenwasser
gebaut werden, Brunnen das Grundwasser schöpfen
und offene, tiefe Erdbecken Wasser für die Tiere
und das Brauchwasser für die Menschen liefern.
Siehe auch:
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http://www.irpaa.org/ebookge/page13.htm
besonders S. 13 ff.
Technologien für den Zisternenbau sind ausreichend vorhanden
und auch das know how, wie man gute Wasserlöcher gräbt,
ist bekannt. An Pumpen gibt es aber kaum was Rechtes. Da sind
einmal die Fächerwindradpumpen, auf ihren hohen Eisentürmen,
die an Szenen aus dem amerikanischen Wilden Westen erinnern
oder stämmige gußeiserne Schwengelpumpen, deren
Technologie aus der Zeit der deutschen Einwanderung in Südbrasilien
stammt. Oder dann eben hochmoderne elektrische Unterwasserkreiselpumpen,
die ein Dieselaggregat für Dreiphasenwechselstrom benötigen.
Auch wurden schon Modelle installiert, wo Unterwasserpumpen
von PC gesteuerten Solarzellen betrieben werden.
Im semi ariden Gebiet gibt
es tausende Brunnenbohrlöcher, von Regierungsprogrammen
meist in Trockenjahren angelegt, 40 bis 80 m tief, die der
Bevölkerung nicht dienen, weil wegen geringer Wassermenge
die Installation einer Pumpe nicht rentiert, Windräder
festgelaufen sind, oder niemand die Dieselkosten bezahlen
kann. Eine gute Handpumpe wäre die ideale Lösung
für die meisten Fälle. Im allgemeinen ist die Wassermenge
im christallinen Bereich (80 % der semi ariden Region) in
der Tat gering - 800 bis 1.000 l/Stunde, aber ausreichend
für das umliegende Dorf. Ein weiteres Problem sind die
meist im Wasser vorhandenen Salze, die die Pumpenteile angreifen,
besonders die hier immer verwendeten verzinken Eisenrohre,
die in wenigen Jahren korrodieren.
Leistungsdiagramm der Volantapumpe
Es war im Jahr 1996, als uns Ing. Jean Gerard
Pankert, Misereor, Aachen, von einer in Afrika sehr erfolgreichen
Pumpe erzählte. Es sei dies die Volantapumpe, in Holland
hergestellt und seit rund 15 Jahre in der Praxis erprobt.
Sie wurde von holländischen freiwilligen Technikern,
mit Unterstützung der holländischen Regierung entworfen
und ist nicht patentiert. Der Leitgedanke bei der Planung
der Pumpe war es, ein einfaches, aber widerstandsfähiges
Konzept zu entwickeln, das einen Lebenshorizont von 50 Jahren
besitzt und leicht und billig von der lokalen Bevölkerung
instandgehalten werden kann. Nach internationaler Expertenansicht
ist sie wahrscheinlich die zuverläßlichste Handpumpe
für ein Brunnentiefe bis zu 100 Metern am Markt.
Die fabriksmäßige Herstellung hat die Fa. Jansen
Venneboer Groep b.v., in Wijhe, Holland übernommen, ein
mittelständisches Unternehmen, das auf Wasserbauten,
Schleusen und Stahlkonstruktionen spezialisiert ist.
Die Verbreitung der Pumpe, Beratung und Begleitung, geschieht
von der Rural Water Systems, einer holländischen NGO,
http://www.handpump.org/,
dessen Vertreter Paul van Beers, ein ehemaliger Entwicklungshelfer,
wir später kennenlernten.
Konstruktionsmerkmale:
-sämtliche Bauteile sind entweder aus nicht rostenden
Metalllegierungen oder aus Kunststoff gefertigt;
-der Pumpmechanismus ist seitlich des Bohrloches angeordnet,
was bei der Montage und bei Instandhaltungsarbeiten sehr wichtig
ist;
-der Pumpenkolben besitzt keine Leder- oder Gummiteile. Untersuchungen
zeigten, das die bei den meisten Handpumpen vorhandenen Gummidichtung
der Kolben, das anfälligste Teil ist, das jedes Jahr
gewechselt werden muss. Der speziell konstruierte Volantakolben
ist servicefrei und ermöglicht jahrelang sichere Wasserförderung;
-das große Schwungrad mit Gegengewicht macht das Pumpen
leicht - ohne Rückenschmerzen zu verursachen;
-sie kann Wasser bis aus einer Tiefe von 100 m hochheben
Gemäß dieser Informationen schien uns die Volantapumpe
für das brasilianische Trockengebiet geeignet. Sie musste
aber in der Praxis erprobt werden.
-Wie leicht oder schwer ist die Montage?
-wie kommt die Bevölkerung damit zu Recht?
-stimmt die versprochen Fördermenge?
-wie sieht es mit der Verlässlichkeit der Pumpe aus?
-wie stehen NGO´s und öffentliche Stellen dazu?
Um das feststellen zu können, war es notwendig
einige Pumpen aus Holland zu importieren und an repräsentativen
Stellen im Nordosten zu installieren. Das Problem war nur,
wie soll´s finanziert werden?
Wir trugen das Problem an die Mandacaru Gruppe in Deutschlan
heran, die dann in langer Kleinarbeit von verschiedenen Stellen
den Betrag zusammenbrachte.
Es beteiligten sich an der Finanzierung folgende Gruppen:
-Runder Tisch Hückelhoven, Hückelhoven
c/o Dr. Hans Latour, Ehlersstr. 15, 41836 Hückelhoven
[ Das Pumpenprojekt wurde von der Stadt Hückelhoven im
Rahmen der Förderung
kommunaler Projekte der Entwicklungszusammenarbeit finanziert!
Die
Verantwortlichkeit der Durchführung liegt bei den Organisationen
der
Zivilengesellschaft, die beim Runden Tisch, Hückelhoven,
mitarbeiten.]
-Eine Welt Laden e.V. Hückelhoven, Hückelhoven
c/o Hans-Georg Lippert, Am Ohof 15, 41836 Hückelhoven
-AG Eine Welt vom Cusanus Gymnasium, Erkelenz
c/o Bruno Bürger, Leipziger Str. 15, 41836 Hückelhoven
Der Kauf und Transport erfolgte über die
Begeca in Aachen und für den Import zeichnete sich hier
die Caritas verantwortlich. Es war ein monatelanges Gerangel
in Brasília, bis wir die Zollfreiheit erreichen konnten.
Man wollte nicht glauben, dass in Brasilien keine modernen
Handpumpen hergestellt werden.
Per Schiff kam alles nach Salvador - Bahia. Es waren zwei
große schwere Holzkisten, die dann per LKW die letzten
500 km bis nach Juazeiro zurücklegten.
Wir hatten drei komplette Sets bestellt. Pumpen, Brunnenrohre
(75 mm Durchmesser), Pumpmechanismus, Gestänge, Abstandsringe
für´s Gestänge, Gewindezement etc. und sämtliche
zur Montage notwendigen Werkzeuge.
Die beigelegten Anleitungen, in Englisch und
einem sehr schlechten Portugiesisch, ließen uns anfangs
die Haare zu Berge stehen. Bei der ersten Installation im
Munizip Curaçá sahen wir aber, wie perfekt die
Pumpe gefertigt war. Es war wie der Zusammenbau eines Kinderspielkastens,
wo die einzelnen Teile logisch zusammenpassen und in der Größe
und im Spiel satt zusammengehen. In keinem Moment benötigten
wir etwa eine Feile, Bohrer, Eisensäge oder Schmirgelpapier.
Es passte einfach.
(Von wegen Kinderspielkasten: wenn man davon absieht, dass
es einige Muskelkraft benötigt 30, 40 m ins Bohrloch
hängendes Brunnenrohr oder Pumpengestänge händisch
zu halten.)
In Juazeiro wurden die drei Sets aufgeteilt
und dann mit einem Klein-LKW des IRPAA noch einige hundert
Kilometer bis zum Einsatzort gefahren.
Diese Orte waren schon von langer Hand ausgesucht worden.
Es sollten Dörfer sein, wo der Wassermangel besonders
gravierend ist, die Bevölkerung organisiert ist und eine
Basisorganisation den Einsatz der Pumpe begleiten kann. An
diesen Orten gibt es Rohrbrunnen aber ohne Pumpen und mit
angemessener Trinkwasserqualität.
Es waren jedesmal zwei Fahrten im Abstand von
einigen Wochen notwenig. Auf der ersten wurde ein Teil des
Materials mitgenommen und der Betonsockel gegossen. Die zweite
diente dann der Installation.
In folgenden Orten wurden Pumpen installiert:
-Munizip Curaçá, im Dorf Santa
Bárbara, Bundesstaat Bahia, installiert am 22.5.2001.
Curaçá liegt rund 100 km von Juazeiro entfernt
und Santa Bárbara 88 km vom Sitz des Munizips. Verantwortlich
für die Begleitung des Brunnens ist die lokale Organisation
PROCUC, die mit IRPAA und der munizipalen Wasserkommission
zusammenarbeitet.
-Munizip Campo Alegre de Lourdes, im Dorf Pedra Branca, Bundesstaat
Bahia, am 21.7.2001; Pedra Branca liegt rund 200 Km von Juazeiro
entfernt. Verantwortlich für die Begleitung des Brunnens
ist die munizipale Landarbeitergewerkschaft. Diese erhält
Assessorie von von der diözesanen Caritasorganisation.
http://www.caritasbrasileira.org
-Munizip Nazaré, Dorf Paracati, Bundesstaat Piaui,
am 8.9.2001, ca. 50 km von Floriano und ca. 400 km von Juazeiro
entfernt. Für die Begleitung zeichnet der Kleinbauernverein
"Associação de Pequenos Produtores da Comunidade
Paracati". Der Kleinbauernverein arbeitet mit der Diözesancaritas
der Diözese Oeiras Floriano zusammen.
In Santa Bárbara erreichten die Rohre
40 Meter Tiefe, die Pumpe steht 28 m im Wasser.
Die Pumpe wurde zum Schutz gegen Regen und Sonne überdacht,
und alles wurde umzäunt. Eine Viehtränke wurde eingerichtet.
Das Wasser ist etwas salzig, aber für die Tiere und den
normalen Gebrauch voll geeignet. In der Trockenzeit wird es
auch von Menschen getrunken. Der Brunnen ist die einzige permanente
Wasserquelle. 30 Familien von vier umliegenden Dörfern
holen dort ihr Wasser und rund 1.500 Tiere, hauptsächlich
Ziegen und Schafe, stillen ihren Durst.
Bis zur Installation der Pumpe mussten die Familien von weit
her in Fässern auf Eselsrücken das Wasser holen
bzw. die Tiere in langen Märschen zum nächsten Wasserloch
treiben
In Pedra Branca ist die Rohrtiefe 45 m und
die Pumpe steht 15 m im Wasser und liefert fast 2.000 Liter
Wasser pro Stunde. Das Wasser ist ganz leicht salzig, schmeckt
wie ein kräftiges Mineralwasser. Der Wassermangel ist
derart, dass die Leute in Schichten arbeiten. Untertags steht
die Pumpe den Nachbarn aus der Umgebung zur Verfügung
und abends und nachts den unmittelbaren Dorfbewohnern. Der
Brunnen ist die einzige Wasserquelle für die folgenden
umliegenden kleine Ansiedlungen: Ramalho, São Gonçalo,
Contenda, Lagoa do Meio, Tamburio, Barra. Es sind 80 Familien
und deren Tierherden.
Die Pumpe wurde überdacht und umzäunt. Man plant
im heurigen Jahr einen kleinen Gemeinschafts - Gemüsegarten
anzulegen.
In Paracati wurde die Rohre
auf 35 m abgesenkt. Der Wasserspiegel ist nur 5 m unter der
Bodenoberfläche. Dadurch ist die Pumpleistung auch enorm:
1 Liter Wasser pro Sekunde. Das Wasser hat beste Qualität.
Der Brunnen befindet sich neben einer Schule, dient also dem
Dorf und der Schule und ist auch hier die einzige Wasserquelle.
Die Pumpe versorgt im Dorf 33 Frauen, 46 Männer und 32
Kinder. außerdem noch 20 weitere Personen aus Häusern
in der Umgebung.
Der Brunnen wurde umzäunt und für die Pumpe ein
Häuschen errichtet. Es ist geplant, in diesem Jahr noch
einen gemeinschaftlichen Gemüsegarten anzulegen.
Das erste Wasser - in Paracati - wird hochgepumpt
Rückmeldungen aus der Bevölkerung:
"Ziehen die Handpumpe dem Windrad vor,
weil sie nur dann in Betrieb genommen wird, wenn wirklich
Wasser benötigt wird, die Fördermenge größer
ist und die Windradpumpe meistens wegen mechanischer Probleme
still steht.
"Der große Vorteil ist, dass weder Strom- noch
Dieselkosten entstehen.
"Auch alte Leute und Kinder können Wasser schöpfen,
weil die Pumpe sehr leicht zu betätigen ist.
"Alle umliegenden Dörfer aus den drei Regionen wünschen
auch für ihren Ort eine solche Pumpe.
"Die Munizipalverwaltung von Curaçá und
die Caritas sind an einer lokalen Produktion in Brasilien
interessiert und wollen sich daran beteiligen. Auch die NGO
Sasop, mit Sitz in Salvador und einem Büro in Remanso,
Bahia, (nahe Campo Alegre de Lourdes) zeigt Interesse.
Wie soll es weiter gehen?
"Der Import aus Holland
von weiteren kompletten Pumpen wird nicht in Erwägung
gezogen. In Europa hergestellt, sind sie teurer, dazu kommen
die Transportkosten und die praktische Unmöglichkeit,
bei größerer Stückzahl hier in Brasilien die
Zollfreiheit zu erreichen.
"Es wurde anfangs die Frage aufgeworfen, ob in Brasilien
die entsprechenden Rohmaterialien und Vorprodukte zur Verfügung
stehen. Diese Frage kann mit ja beantwortet werden. Auch die
vorhandenen Geräte, Maschinen und sonstige industrielle
Anlagen stehen denen in Europa kaum nach.
"Man könnte dem Beispiel Afrikas folgen, wo bereits
zwei kleine Fertigungsstätten für diese Pumpe eingerichtet
wurden. Gemäß Paul van Beers haben aber Unternehmen,
die sich nur auf eine Gerät spezialisieren, oft Überlebensschwierigkeiten,
weil der Fluss der Bestellungen immer unregelmäßig
ist.
"Oder man könnte , ähnlich wie in Holland,
ein mittleres Industrieunternehmen suchen, das dann unter
rigoroser Qualitätskontrolle die Pumpen herstellt.
"Oder bei Kolping anfragen, wo sie in Brasilien industrielle
Fertigungsstätten begleiten, die für die Herstellung
solcher Pumpen ausgerüstet sind.
"Oder, in einem ersten Schritt bis auf die Pumpe, den
heikelsten Teil, ca. 50 cm lang und 6 cm im Durchmesser, die
restliche Komponenten in Brasilien herstellen. Da wäre
auch der Import leichter, weil der Großteil des Produktes
nationalen Ursprunges ist. Erst später, wenn alles klappt
und gut organisiert ist, sollte man in die volle brasilianische
Produktion einsteigen.
Der identische Bericht geht in der portugiesischen Übersetzung
an unsere Partner hier in Brasilien.
Juazeiro, 5/1/2002
José Moacir dos Santos, Coordenador
Harald Schistek
Maria Oberhofer
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